Wir fragen nach bei den Insidern und Protagonisten der Truck Race-Szene

?: Hallo Herr Nittel, es sah so aus, dass Sie 2010 den zweiten Buggyra pilotieren würden. Warum ist es nicht dazu gekommen? Besteht die Chance, dass wir Sie dennoch als Race-by-Race-Fahrer sehen werden – z.B. am Nürburgring?


Uwe Nittel: Ja es war geplant, dass ich als zweiter Fahrer für Buggyra an den Start gehen werde. Leider konnten wir es finanziell nicht umsetzten. Geplant sind aber für 2010 zwei - drei Läufe und schauen wir mal was 2011 passiert.
Vielen Dank Herr Nittel (04.05.2010; Foto: Uwe Nittel)

?: Herr Allgäuer, nachdem Sie die Öffentlichkeit über Ihre Teambesetzung 2010 informiert haben, bleibt die Frage, was macht der Chef? Wo sehen Sie Ihre Aufgaben im Team? Werden wir Egon Allgäuer auch noch einmal im Renntruck erleben oder haben Sie endgültig den Helm an den Nagel gehängt?


Egon Allgäuer: Die Teambesetzung in der Europameisterschaft ist geklärt. Ich bin sicher, dass unsere Mannschaft einen guten Job machen wird und die Fahrer ihr Bestes dazu beitragen um Topplatzierungen zu ermöglichen.
Meine Aufgaben sind klar definiert, ich werde mich um die Sponsoren und deren Gäste kümmern. Mein Entschluss in der Europameisterschaft nicht mehr an den Start zu gehen ist reiflich überlegt, um meine Meinung zu ändern müssten viele Dinge geschehen.
Vielen Dank Herr Allgäuer (06.03.2010; Bild: krentschman-pics)

?: Herr Körber, der Boxenfunk vermeldet, dass Sie 2010 eventuell zum Truck Racing zurückkehren werden – in ein neues Renault-Team unter Beteiligung von Mario Kress (Quelle: fernfahrer.de). Was ist dran an den Gerüchten?


Gerd Körber: Ist ja toll, dass um meine Person momentan so viel Wirbel gemacht wird, aber um allen Gerüchten aus dem Wege zu gehen, weder wurde ich von einem Team angesprochen, noch ist die Wahrscheinlichkeit wieder zu diesem Sport zurück zu kehren bei - 95 %.
Vielen Dank Herr Körber (18.12.2009 - Foto: W. Steinbrech)

?: Herr Kress, ab 2010 dürfen Renntruck-Motoren nur noch mit einem Turbolader ausgestattet sein. Was bedeutet dies für die bisher doppelt aufgeladenen Motoren der Freightliner-Renntrucks des Buggyra-Teams? Befürchten Sie Leistungsnachteile gegenüber den Werksmotoren von MAN und Renault?

 

Mario Kress (langjähriger technischer Direktor bei Buggyra):
Da diese Entscheidung des Verbots der zweistufigen Aufladung für Saison 2010 schon mehr als ein Jahr bekannt ist, haben wir uns entsprechend vorbereitet und schon in dieser Saison ( 2009) Entwicklung mit einem Turbolader betrieben.
Die ersten Ergebnisse mit einem Turbolader haben gezeigt, dass mit der richtigen Abstimmung die Ergebnisse deutlich besser sind als mit doppelt aufgeladenen Motoren.
Ausgedrückt in Rundenzeiten mit einem Turbolader sind wir 0,4 sec schneller als doppelt aufgeladen. Und das war der erste Test nach der Saison 2009. Mit den Daten können wir jetzt über den ganzen Winter arbeiten. Und ich bin zuversichtlich, dass da nochmal 0,3 bis 0,4 sec Verbesserung kommen werden.
In den letzten drei Jahren hat man nur gehört, dass die Freigthliner so schnell sind wegen der doppelt aufgeladenen Motoren. Ich habe immer wieder erwähnt, dass es das Paket ist, das uns so schnell macht und nicht die doppelt aufgeladenen Motoren.
Buggyra wird es in der nächsten Saison beweisen, dass meine Aussagen gerechtfertigt sind.

Vielen Dank Herr Kress (07.12.2009 - Bild: Buggyra)



?: Ab 2010 sind die Differenziale zu 100% gesperrt. Wie verändert sich das Fahrverhalten/Ansprechverhalten gegenüber einem nicht gesperrten Differenzial? Wozu werden Differenziale eingesetzt? Was bewirken Sie?

 

Thilo Jahn (Truck Race-Spezialist bei BOSCH):
Generell ermöglicht das selbstsperrende Differenzial eine Kurvendurchfahrt mit unterschiedlichen Raddrehzahlen. Immerhin hat das äußere Rad ja einen längeren Weg zurückzulegen.
Beide Räder sollten dabei die Bodenhaftung behalten und ein Maximum an Grip behalten, um die Kraft auf den Boden zu bringen.
Da das kurveninnere Rad aber durch die Fliehkraft und die Schwerpunktlage des Fahrzeugs entlastet wird, kann die Antriebskraft nicht mehr auf den Boden gebracht werden: das Rad dreht durch.
Mit einem normalen Differenzial gäbe es dann gar keinen Vortrieb mehr, weil die Motordrehzahl dann nur auf das durchdrehende Rad übertragen wird.

Das selbstsperrende Differenzial soll das Durchdrehen verhindern und überträgt in diesem Fall mittels erhöhter Reibung in einem Paket von Metallscheiben die Kraft an das langsamere, kurvenäußere Rad.
Dadurch kann in der Kurve und vor allem beim Herausbeschleunigen - aber auch beim Anbremsen - mehr Motorkraft / Bremskraft genutzt werden, ohne dass es zu übermäßigem Schlupf kommt.

Diese Differenziale benötigen Platz in der Hinterachse und sind Spezialanfertigungen. Sie müssen richtig eingestellt und gewartet werden.
Das Scheibenpaket ist ein Verschleißteil und arbeitet mit Spezialöl und hohen Temperaturen. Manche Teams benutzen sogar einen Ölkühler, um die Lebensdauer der Scheiben zu verlängern.
Jedes Einstellen der Arbeitsspiele zwischen den Scheiben ist Aufgabe eines Spezialisten im Team und erfordert langjährige Erfahrung.
Der zur Verfügung stehende Platz im Differenzial wird mit Scheiben aufgefüllt, die aufs Hundertstel Millimeter genau bemessen sein müssen.
Für die richtige Wahl der Ansprechgeschwindigkeit, in Kombination mit den anderen Chassiseinstellungen, arbeitet der Fahrer mit dem Spezialisten und dem Auswerter der Telemetriedaten eng zusammen.

Nur ein guter Fahrer mit einem guten Team kann auch alle Vorteile eines selbstsperrenden Differenzials nutzen. Dieser liegt auf einigen Rennstrecken bei über einer Sekunde pro Runde.

Selbst ein ordentlich eingestelltes Differenzial ist schnell verbrannt, wenn die Räder nicht ein Minimum an Grip in der Kurve aufbauen.
Fahrzeuge, bei denen das Rad abhebt, werden mehrfach am Tag den großen Differenzial-Service benötigen.
Wenn man bedenkt, dass ein komplettes Differenzial knapp 10.000€ kostet, und eine einzelne Scheiben im dreistelligen Bereich liegt, dann ist dieser Kostenblock für die Teams wirklich sehr hoch. Privatteams können hier technisch mit den Spitzenteams einfach nicht mithalten.
Genau da setzt die Regeländerung an: Chancengleichheit, Eindämmung der Budgets und Schwerpunktlage auf Fahrerkönnen, nicht Technik.

Ein voll gesperrtes (100%) Differenzial ist hier immer noch besser als ein komplett offenes, wegen der Gefahr des Durchdrehens des kurveninneren Rades. Trotzdem ergibt sich in Kurven Schlupf mit der Folge, dass die übertragbaren Reibwerte dann geringer sind. Beide Räder drehen nicht gleich durch, aber es fährt sich einfach wie auf einer schmierigen Piste. Das Chassis muss anders eingestellt werden (Federn, Dämpfer, Stabilisatoren, etc…).

Alle Teams testen bereits neue Abstimmungen, um eventuell über den Winter das Chassis umbauen zu können, falls notwendig. Einige werden auch gleich ein ganz neues Fahrzeug bauen.

Technisch ist das Ganze überprüfbar, indem man das Fahrzeug hinten aufbockt und versucht, beide Räder gegeneinander zu verdrehen. Mogeleien sollten nicht möglich sein.
Für die Zuschauer könnte diese Änderung noch mehr Action und Drifts bedeuten. Die Reifen werden zusätzlich Einfluss nehmen. Es wird sich zeigen, ob die Rundenzeiten enger zusammen rücken.
Die guten Chassisspezialisten werden auch in der nächsten Saison die besseren Fahrzeuge an den Start bringen… und die guten Fahrer können noch besser auftrumpfen!
Vielen Dank Herr Jahn (07.12.2009 - Foto: krentschman-pics)