Mitfahrt im Renntruck

Hinweis: Auch 2023 gibt es am Donnerstag vor der Truck-Grand-Prix wieder die Möglichkeit, auf dem Beifahrersitz eines Racetruck den verkürzten GP-Kurs des Nürburgrings zu umrunden. Tickets gibt es beim ADAC (www.truck-grand-prix.de).

Truck Racing aus einer anderen Perspektive

Seit einigen Jahren bietet der Veranstalter des ADAC Truck Grand Prix auf dem Nürburgring die Möglichkeit, im Rahmen von Presse-, VIP-, Team- und Industriefahrten auf dem Beifahrersitz eines Renntrucks Platz zu nehmen. Doch nicht nur "ausgesuchte" Beifahrer werden am Donnerstag vor dem Rennwochenende in einem Renntruck festgeschnallt. Auch "Normalos" , also die ohne Vitamin B, können - die passende frei käufliche Eintrittskarte vorausgesetzt - einen der schmalen Rennsitze erklimmen. Und los geht es...fast drei Runden dauert der Spaß bestehend aus Einroll- und Auslaufrunde sowie einer vollen Rennrunde.

 

Donnerstag, 10. Juli 2008: ich nähere mich dem blauen Freightliner mit der Startnummer 3, der in der Boxengasse auf einen Mitfahrer wartet. Am Steuer der aktuelle Tabellenführer David Vrsecky. Nachdem ich in dem schmalen Rennsitz Platz genommen habe, die Renngurte festgezurrt sind, wirft mir Vrsecky einen kurzen Blick zu und schon geht es los.

Die ersten Meter in der Boxengasse tuckert der Truck noch gemächlich vor sich hin. Das ändert sich schlagartig als die weiße Linie, die das Ende der Boxengasse verkündet, passiert wird.

Gut 5000 Newtonmeter resultierend aus 1100 PS beschleunigen 5400 kg in einer Art, die ich kaum für möglich gehalten habe. Doch schon nach wenigen Sekunden, eingangs Castrol-S (heute Yokohama-S), wird der Truck brutal zusammengebremst und in die Mercedes-Arena hineingelenkt. Der Versuch, scharfe Fotos zu schießen ist fast unmöglich. Der Truck lebt und bebt was sich in ständigen Vibrationen niederschlägt. Beim Beschleunigen bricht die Hinterachse kurz aus, wird von meinem Piloten aber gekonnt eingefangen. Ich beobachte Vrsecky beim Lenken und Schalten. Mit der Gelassenheit eines Taxifahrers dirigiert er den Truck mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit über die Eifelrennstrecke. Es ist erstaunlich, wie gut diese XXL-Renner auf dem Asphalt liegen. Der Vergleich mit einem Schienenfahrzeug ist durchaus berechtigt. Das Räubern über die Randsteine wird in die Ideallinie mit einbezogen und schon geht es auf die Kurzanbindung zu. Erneut werden die Bremsen und meine Sicherheitsgurte stark beansprucht. Es folgen zwei schnelle Kurven bevor der Truck in Richtung Hatzenbach-Bogen (heute ADVAN-Bogen) beschleunigt. Nur wenige Augenblicke später hat er die per Reglement vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h erreicht. Die Elektronik regelt automatisch ab, die GPS-Geschwindigkeitsüberwachung zeigt auf dem Display 160 km/h.
Wir nähern uns der NGK-Schikane. 100 Meter noch bis zur der 90 Grad-Schikane und der Geschwindigkeitsmesser zeigt immer noch 160 km/h! Erst kurz vor dem 50 Meter-Schild leitet Vrsecky das Bremsmanöver ein. Die wassergekühlten Scheibenbremsen verzögern mit aller Macht und ich werde brutal in die Gurte gepresst. Es fällt mir schwer, die Kamera ruhig zu halten. Nur weniger Zentimeter an zwei massiven Reifenstapeln vorbei passieren wir die Schikane und nähern uns der Coca-Cola-Kurve, die auf die Zielgerade führt. Mit einem leichten Drift geht es in die einzige volle Runde und das bei Renntempo. Die kommenden Kilometer, bestehend aus Rennrunde und Auslaufrunde, werde ich einfach nur genießen. Es ist die Kombination aus Beschleunigung und Bremsverzögerung, gepaart mit einem im Motorsport einmaligen Motorsound und einer kaum für möglich gehaltenen Straßenlage, die die Faszination Truckrace ausmacht – halt Motorsport im XXL-Format! Das erklärt auch warum einige Piloten ohne jede Chance auf eine gute Platzierung dabei sind: es ist der Spaß an einer wirklich großen Sache.

Das bestätigt auch mein zweiter Chauffeur Hans-Joachim Stuck. Die Rennlegende pilotiert nur am Ring einen Renntruck. Traditionell einen gelben MAN des Allgäuer-Teams. Und wer ihn einmal dabei erlebt hat, weiß dass Stuck ein hervorragender Allrounder ist und eine gehörige Portion Spaß dabei hat. Der Mann würde gut in den Truckzirkus passen. Wie schon anfangs geschildert, geht es auch ohne Presse-, VIP- oder Teambonus. Einmal im Jahr kann man auf dem Ring dieses einmalige Abenteuer erleben. Der Veranstalter des ADAC Truck-Grand-Prix bietet spezielle Wochenendkarten an, die eine Mitfahrt beinhalten. Das Kontingent ist jedoch äußerst begrenzt. Wer eine dieser Topkarten sein Eigen nennen darf, kann sich glücklich schätzen. Die grinsenden Gesichter der aussteigenden Mitfahrer sagen alles! Obwohl der Truck-Grand-Prix erst im Juli stattfindet, sollten Interessierte bereits im November/Dezember des Vorjahres Ihre Karten ordern (www.truck-grand-prix.de).

 

Außerhalb des Truck-Grand-Prix ist mir keine offizielle Mitfahrmöglichkeit bekannt. Der Aufwand ist schließlich nicht unerheblich und die meisten Veranstalter von Truckrennen bieten diese Möglichkeit erst gar nicht an. Wer es donnoch versuchen will, muss mit den Teams direkt Kontakt (siehe Links) aufnehmen.

 

 

Fotos: Walter Steinbrech und Detlef Krentscher

Video: Youtube-Kanal Nürbugring - Rennen - ohne Beifahrer ;-)