Truck und Racing - wie passt das zusammen?

Truckracing - was macht die Faszination aus?

 

Ist es die schiere Größe der Rennfahrzeuge, die enorme Kraft ihrer Motoren, der Motorsound, die Nähe zu den Fans oder sind es die spektakulären Überholmanöver, die tollkühnen Piloten, die kreativen Mechaniker welche diese Faszination auslösen? Es ist wohl die Kombination aus all dem zuvor genannten, was Truckracing von anderen Motorsportserien unterscheidet und so einzigartig macht.



Wie die Brummis rennen lernten

 

Brummi-Rennen auf den Autobahnen dieser Welt haben nicht viele Fans . Auf Grund der gesetzlich geregelten Geschwindigkeitsbegrenzung ziehen sich die Überholvorgänge nicht selten über etliche Kilometer hin, was bei den schnelleren PKW-Lenkern meist auf Unverständnis stößt. Auch auf den Rennstrecken können sich Überholvorgänge über einige Runden (Kilometer) erstrecken - mit doppelt so hohem Speedlimit und zur Freude der vielen Fans. Ärgern tut sich darüber meist nur einer - der Überholte.
Kann der Trucker beim Überschreiten der Geschwindigkeitslimits noch auf einen gnädigen Beamten hoffen, schlagen die Sportkommissare bei den Truckracern erbarmungslos zu.

Rennen mit "Sattelzugmaschinen" gibt es seit den späten 70ern. Erfunden wurde der Laster-Sport im Land der dicken Trucks - den USA. Während er dort für Jahrzehnte fast vollständig von der Bildfläche verschwunden war, gibt es in Europa , Australien und Brasilien seit vielen Jahren landesweit / europaweit organisierte Truck-Rennserien. Obwohl in Europa die FIA mitmischt und damit die Truck-Europameisterschaft adelt, haben die tonnenschweren Renner in Brasilien den professionellsten Auftritt. Das änderte sich erst im Jahr 2016 mit dem Einstieg des Promoters ETRA. Seitdem ist die Truck-EM (FIA ETRC) die Benchmark im Truckracing. Manch Truckracer träumt dann auch schon einmal von einer Truck-Weltmeisterschaft.


Die 1985 erstmals ausgetragene Truck-Europameisterschaft (heute FIA European Truck Racing Championship - ETRC) hat in ihren Jahrzehnten Höhen und Tiefen durchlebt. Selbst der Rückzug großer Truckschmieden und Zulieferer konnte das Engagement der Protagonisten niemals ernsthaft gefährden. Auch der Ausstieg der LKW-Hersteller (2007 Mercedes-Benz, 2013 Renault und 2014 MAN) konnte die Serie selbst nicht in Gefahr bringen. Selbst das Fehlen einer professionellen Serienvermarktung sowie einer regelmäßigen TV-Präsenz, wie es einige Jahre der Fall war, ist ärgerlich und schmerzt, bringt die Boliden aber nicht zum Stillstand. Immer mehr Teams gehen Truck Racing höchst professionell an und Hobbyracer müssen Profirennfahrern ihren Platz im Renntruck überlassen. Die Luft für Amateurfahrer und -teams wird zunehmend dünner.

 

Bei kaum einer anderen Rennserie haben die Fans einen so engen Kontakt zu ihren Fahrern. Zudem bieten einige Veranstalter ein riesiges Rahmenprogramm zu familienfreundlichen Preisen. Der alljährliche Truck-Grand-Prix am Nürburgring stellt nicht nur für die Truckracer den Saisonhöhepunkt dar, er ist zugleich auch das größte Countryfestival Europas und die zweitgrößte Nutzfahrzeugmesse. Jährlich zieht bis zu 150.000 Besucher in die Eifel. In Spitzenzeiten waren es sogar schon eine Viertelmillionen Menschen, die dem schnellen Laster in der Eifel frönten. Truckracing ist nach den Formel 1- Rennen der größte Besuchermagnet - und das seit vielen Jahren und fast europaweit!

Dennoch gibt es auch nach über 35 Jahren noch Ressentiments hinsichtlich der Ernsthaftigkeit dieser Motorsportserie. Immer noch betrachten vermeintlich "echte" Motorsportler aber auch manche Medien die Truckserie herablassend. Dabei haben die Renntrucks von heute mit den ersten Renn-LKW kaum noch etwas gemein. Früher waren die Rennstrecken von schwarzen Rußwolken eingenebelt und die Renntrucks drifteten spektakulär quitschend über die Pisten. Viel hatten sie mit einem professionellen Rennwagen tatsächlich nicht gemein. Schwarzrauch ist heute streng verboten und wird rigoros geahndet. Viele Renntrucks der Neuzeit verfügen über Rußfilter oder sind technisch so perfekt abgestimmt, dass keine sichtbaren Abgase mehr aus den Auspuffen entweichen. So machte MAN zu seinen aktiven Zeiten keinen Hehl daraus, dass Truckracing auch als Techniktransfer für die Serienentwicklung genutzt wird. Dank stetiger Weiterentwicklung der Fahrwerke ziehen die schnellen Trucks wie auf Schienen ihre Rennrunden. Wassergekühlte Scheibenbremsen sorgen für ungeahnte Verzögerungswerte. Wer einmal in einem Renntruck mitfahren konnte, versteht, dass es sich hierbei um einen Rennwagen im XXL-Format handelt. Nicht wenige Fahrerplätze sind, wie oben bereits beschrieben, in festen Händen von Profirennfahrern. Auch die Rennlegende Hans-Joachim (Strietzel) Stuck oder Prinz Leopold von Bayern freuten sich über die gelegentlichen Auftritte in einem Renntruck.

Moderne europäische Renntrucks holen aus ihren 13 Liter großen Dieselmotoren über 1100 PS. Trotz der rund 5,5 Tonnen Kampfgewicht beschleunigen die Trucks in rund 6 Sek. von 30 auf 160 km/h - da Truckrennen nicht stehend gestartet werden, ist die Angabe von 0-100 km/h ohne große Bedeutung. Die Schaltgetriebe müssen dabei über 5500 Nm Drehmoment verarbeiten. Dank dieser enormen Kraft und der guten Fahrbarkeit der Renntriebwerke kommen die Fahrer je nach Streckencharakteristik dabei manchmal nur mit 2 Gängen aus. Bei 160 km/h ist Schluss! Da kennen die Rennkommissare kein Pardon. Mittels GPS wird bei der Europameisterschaft das Limit genauestens überwacht. Die Rennen werden also nicht selten auf der Bremse gewonnen - Lackaustausch inbegriffen. Im Gegensatz zu vielen anderen Rennserie gehört ein gepflegter Direktkontakt zum sportlichen Umgangston. Schließlich halten die XXL-Renner auch entspechend viel aus. Doch wer es übertreibt und dabei erwischt wird, bekommt es mit den Sportkommissaren zu tun. Halt wie im echten Truckerleben auch - nur dort heißen die Regelhüter Polizeikommissare.

Text: WS - überarbeitet 25.01.2022

Foto: FIA ETRC/Richard Kienberger Sasion 2021